Donnerstag, 8. September 2011

zur Ausstellung Schatten und Wirbel, 2011, Daniel Spoerri

Daniel Spoerri zu Katherina Olschbaur

Es ist nicht an mir, jetzt bedeutende kunsthistorische Prognosen und Interpretationen in die Bilder
von Katherina O. zu projizieren. Sie ist auch keine "Entdeckung", wie man so schön sagt.
Ich habe sie zufällig, erst vor kurzem bei einer Vernissage in Wien kennengelernt, und weil sie mir
von Bruno Schulz erzählte - einem jüdischen Künstler aus dem damaligen Polen, der jetzigen
Ukraine, der von der Gestapo auf der Straße erschossen wurde - und weil sie zu Schulz´Geburts-
ort und Todesort gereist war, um mehr über Ihn zu erfahren, wurde ich auf sie aufmerksam.

Bruno Schulz ist nämlich nicht nur ein feiner, nicht sehr bekannter Maler und Grafiker - seine
erstaunlichsten Werke sind Glasradierungen aus den Dreissiger Jahren, eine sehr schwierige
Technik, mit der er seine masochistischen Visionen ausleben konnte - er ist vor allem ein
bedeutender Dichter. Sein Hauptwerk "Die Zimtläden" gehört zu den Meisterwerken des
letzten Jahrhunderts, das ebenfalls vor dem zweiten Weltkrieg auch von manchen
Kollegen hoch geschätzt wurde, bis heute jedoch fast ein Geheimtipp blieb. Am selben Nach-
mittag, an dem ich Katherina O. kennen lernte, hatte vorher noch Bora Cosic mit mir über
Bruno Schulz gesprochen; ich war also besonders programmiert.

Vor allem ihre großformatigen Bilder, aber auch die kleinen, wie die zwei, die sie auf der
Einladungskarte zu dieser Ausstellung schon gesehen haben, erinnern mich an meine frühe Zeit
beim Theater und an Entwürfe für große Textil - Bühnenbilder. Sie gehen aber darüber hinaus,
und es ist der Zuschauer selbst, der darin spazieren gehen kann.

Wie ich schon eingangs gesagt sagte, auf die Bedeutung der Werke unserer jungen Künstlerin
will ich mich nicht einlassen. Ich freue mich vor allem über das zufällige Zusammentreffen
dieser beiden Ausstellungen. Auch bei Vera Mercer sind es Räume, in denen sie ihre präch-
tigen und barocken Natures mortes wörtlich: tote Naturen - inszeniert und beleuchtet. Kein
Wunder, denn ihr Vater war einer der bedeutendsten Bühnenbildner der Fünfziger
Jahre. Dort, im Bühnenbildatelier ihres Vaters im Schauspielhaus Darmstadt habe ich Vera 1958 
getroffen.

Das Vera einen Motor in sich hatte, der sie immer weiter trieb, bis zu diesen großen Stillleben
heute, hätte ich damals nicht vorhersagen können. Ich dachte auch nicht über die Ursachen nach,
über die Urtriebe, die uns immer weiter suchen und probieren lassen.

Bei Katherina Olschbaur bin ich mir aber sicher, dass auch sie von diesem Motor angetrieben
wird, der sie nicht aufhören lassen wird, immer weiter zu machen und weiter zu malen. Wie
André Thomkins sich kurz vor seinem Tod in 36 Anagrammen das Diktum einhämmerte:
"weitermalen"

Nie malte wer mental wie er!
ei, wen malte er? Wien malte er.
Mal wienerte, mal weinte er.

D.S. 2011